Geschichte
Die Geburtsstunde in Brasilien
Frei Hans Stapel ofm, ein junger Franziskaner aus Deutschland, der in die südbrasilianische Ordensprovinz eingetreten war, kam 1979 als Pfarrer in eine Pfarrei in Guaratinguetá bei São Paulo. Dort begann er mit den Mitgliedern seiner neuen Gemeinde die Worte des Evangeliums konkret zu leben. Viele Mitglieder der Pfarrei waren bewegt von der Art und Weise, mit der Frei Hans ihnen begegnete und schnell schenkten ihm viele Gemeindemitglieder ihr Vertrauen. In Gruppen betrachteten sie jeweils einen Abschnitt aus der Bibel, um zu verstehen wie das Wort Gottes Leitfaden für den Alltag sein kann. Die hieraus gelebten Erfahrungen werden mehrmals wöchentlich miteinander ausgetauscht.
Nelson Giovanelli, ein junger Mann, war einer von denen, die diese „Wort des Lebens“-Gruppen besuchte. Nachmittags, wenn er von der Arbeit heimkam, führte ihn sein Weg immer an einer Straßenecke vorbei, wo Jugendliche Drogen konsumierten. Aufgrund des Evangeliums fasste er Mut diese kennen zu lernen, mit der Zeit gewann er ihr Vertrauen und Freundschaften entstanden. Einige Monate später ging einer der Jugendlichen namens Antonio auf Nelson zu und flehte ihn an: „Ich halte es nicht mehr aus zuzusehen, wie meine Mutter weint. Ich will raus aus der Droge, schaffe das aber nicht allein. Ich brauche jemanden, der 24 Stunden an meiner Seite ist. Nimm mich mit, wohin du willst.“ Daraufhin nahm Nelson ihn mit zu Frei Hans und sie begannen zusammen jeden Tag das Wort Gottes konkret umzusetzen. Die Anderen waren fasziniert von Antonius Veränderung und schlossen sich seinem Weg an, woraus der erste „Hof der Hoffnung“ entstand. Sie wohnten zusammen und hatten die feste Absicht einen Lebensstil auf der Grundlage der „Regeln des Evangeliums“ zu beginnen. Sie lebten von der eigenen Arbeit und teilten miteinander die wenigen Dinge, die sie hatten. Dies war der Beginn einer außergewöhnlichen Lebenserfahrung, der Anfang einer neuen „Methode“, um langfristig ein geordnetes Leben ohne Drogen zu führen. Es war die Geburtsstunde der Fazenda da Esperança im Jahr 1983.
Mehr Informationen erhält man im Buch "Von einer Straßenecke in die Welt", welches in den Hofläden aller Fazendas zu erhalten ist.
Die Entstehungsgeschichte aus Nelsons Sicht kann man hier lesen.
Der Weg in Deutschland
Die erste Fazenda außerhalb Brasiliens wurde nur 15 Jahre später 1998 in Deutschland gegründet. Möglich gemacht hat das auch Helmut Kohl, der von einer befreundeten Nonne (Anuntiata?) eingeladen wurde sich die Fazenda in Brasilien anzuschauen. Da ihm dies als als amtierende Bundeskanzler nicht so einfach möglich war, schickte er seine Bundesfamilienministerin Claudia Nolte zur Fazenda nach Brasilien. Bei ihrem Besuch bei Frei Hans in Guaratinguetá traf sie auch auf den Berliner Pfarrer Georg Schlütter, der ebenfalls zum ersten Mal auf der Fazenda war, um sich dieses junge und dynamische Projekt anzuschauen. Claudia Nolte sagte zu ihm: "Können sie das nicht nach Deutschland holen? Ich helfe ihnen durch eine Anschubfinanzierung." Und in der Folge räumte sie tatsächlich alle bürokratischen Hürden aus dem Weg, mit denen eine Umsetzung niemals möglich gewesen wäre, und machte die Fazenda zu einem Modellprojekt.
Schließlich fand sich durch einen Zufall ein abgelegenes, als Müllkippe genutztes, ehemaliges LPG-Gelände in der Nähe von Nauen in Brandenburg. Doch aus der Sicht von Frei Hans war dies kein Problem, sondern viel mehr eine Chance. So sollten die jungen Leute um Pfarrer Hans Georg Schlütter bewusst nichts "Fertiges" beginnen, sondern konnten selbst etwas aufbauen. Die Gebäude auf Gut Neuhof boten eine gute Chance für umfangreiche Entwicklungen. Nachdem ein Spender gefunden wurde, konnte der Gutshof von der Treuhand (BVVG) gekauft werden und die umfangreichen Renovierungen mit einigen Franziskanerinnen aus Sießen, Mitgliedern der Fokolar-Bewegung und Berliner Jugendlichen beginnen. Mehr zur Geschichte der Fazenda Gut Neuhof hier.
Etwa zeitgleich entstand die Frauen-Fazenda im nur 20 Kilometer von Gut Neuhof entfernten Riewend, von der anfangs täglich der Bautrupp zur noch unbewohnbaren Fazenda Gut Neuhof fuhr. Mehr zur Fazenda Riewend hier.
Nach einigen Jahren des Wachsens und Gedeihens der beiden Fazendas wurde der Wunsch größer auch eine Fazenda in Süddeutschland zu beginnen. Am 21. Dezember 2007 ging dieser Wunsch mit der Einweihung durch den Augsburger Bischof auf dem 750 Jahre alten Gutshof Bickenried bei Irsee im Ostallgäu in Erfüllung. Mehr zur Geschichte der idyllischen Männer-Fazenda auf Gut Bickenried hier.
Jetzt ging es Schlag auf Schlag: Bereits im Sommer 2009 weihte Bischof Dr. Felix Genn aus Münster die dritte Männerfazenda im ehemaligen Franziskanerkloster Mörmter bei Xanten am Niederrhein ein. Mehr zur Fazenda am Jakobsweg (oder ersten Fazenda in Westdeutschland) hier.
Einen „Ort gegen die Kälte der Herzen“ – so nannte Erzbischof Becker aus der Diözese Paderborn die Fazenda zu Beginn seiner Messe am 15.04.2012, dem Einweihungstag der zweiten deutschen Frauenfazenda in Hellefeld im Sauerland. Mehr:
Im Jahr 2013 kam die Fazenda auf Einladung des Trierer Bischofs Ackermann und des Dechanten Hermann- Josef Ludwig nach Boppard, um hier eine neue Fazenda für Männer zu eröffnen. Mehr zur Fazenda am Mittelrhein hier.
Im Mai 2015 wurde die fünfte deutsche Männerfazenda auf Gut Hange bei Freren im Emsland begonnen. Das Haus, ein ehemaliges Kloster der Thuiner Franziskanerinnen, wurde uns vom Bistum Osnabrück zur Verfügung gestellt. Mehr zur ersten Fazenda in Niedersachsen hier.
Im Jahr 2023 wurden die Frauenfazenda in Riewend und Frankreich und die Männerfazenda in Freren geschlossen.
Mittlerweile gibt es an über 125 Orten weltweit Fazenda-Gemeinschaften - vor allem in Brasilien, aber auch in ganz Lateinamerika, Afrika und auf den Philippinen. In Europa gibt es neben den sieben Einrichtungen in Deutschland noch weitere in der Schweiz, Italien, Frankreich, Portugal, Belgien, Russland und Polen. Mehr Infos zu den Standorten hier.